Wie in einem Spiegel. Krimi by Gunnar Staalesen

Wie in einem Spiegel. Krimi by Gunnar Staalesen

Autor:Gunnar Staalesen [Staalesen, Gunnar]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105605035
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-17T16:00:00+00:00


25

Ich nahm ein Taxi zum Büro. Schon der Gedanke daran, im Bus eingequetscht zu stehen, war mir zu viel. Lassen Sie es eine Woche lang ruhig angehen! Der hatte leicht reden, bei der großzügigen Rente, die auf ihn wartete …

Ich hörte den Anrufbeantworter ab. Niemand hatte versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen. Das war sicher auch ganz gut so.

Ich rief Berit Breheim an. Sie hatte einen Termin, aber ich erklärte ihrer Sekretärin, was mir passiert war und sagte ihr, sollte sie entgegen ihrer Erwartung einige Tage nichts von mir hören, so sei dies der Grund. Sie sollte sich selbst melden, wenn in der Sache, in der ich für sie ermittelte, etwas Neues geschah, fügte ich hinzu. Die Sekretärin war die Liebenswürdigkeit in Person und versprach, dass sie das tun würde. Bescheid sagen.

«Danke.»

Ich hatte kaum den Hörer aufgelegt, da klingelte das Telefon. «Veum? Hören Sie, wer hier ist?»

Mich konnte er nicht hinters Licht führen. Zwar sprach er jetzt eine Art Stadtslang, aber sein Vossdialekt drang immer wieder deutlich durch, dicker als der Zigarettenrauch über dem «Pentagon» spätnachts während der Vossa-Jazz-Tage. Atle Helleve war die neueste Errungenschaft der Kripo in Bergen, ein sympathischer Mann aus Hordaland, mit einem weitaus bedächtigeren Temperament als es der soeben pensionierte Dankert Muus gehabt hatte. Wenn ich Glück hatte, würde ich Muus nie mehr wieder sehen. Andererseits war mein Glückskonto nicht gerade oft in den schwarzen Zahlen. Und wie schon Hallvard Hagenes vor zwei Tagen zu mir gesagt hatte: Diese Stadt ist zu klein, als dass man sich jahrelang aus dem Weg gehen könnte.

«Was kann ich für dich tun, Helleve?», sagte ich und hoffte, dass es nicht zu ironisch klang.

«Wir wollten fragen, ob du kurz vorbeischauen könntest. Es gibt etwas, worüber wir gern mit dir reden würden.»

«Aha? Eigentlich bin ich krankgeschrieben.»

«Das ist eben genau der Grund.»

«Soso. – Na ja … Gebt ihr einen Kaffee aus?»

«Wenn du ohne avec auskommst?»

«Der avec, den ihr anzubieten habt, ist sicher sowieso nicht der tollste. Also okay. Ich bin unterwegs.»

«Und, Veum …»

«Ja?»

«Pass gut auf, wenn du über eine Strasse gehst, ja?»

«Denselben Rat haben sie mir im Krankenhaus auch gegeben.»

«Da siehst du’s. Es gibt viele, die dir wohlgesonnen sind.»

«Komisch, dass ich das früher nicht gemerkt habe.»

Wir legten unisono auf. Danach blieb ich noch eine Weile sitzen. Es war nicht zu leugnen, ich war in ungewöhnlich schlechter Verfassung. Das Sägewerk unter meiner Schädeldecke arbeitete auf Hochtouren, aber es war schlecht gewartet und machte einen Höllenlärm. Das Echo verursachte mir gigantische Kopfschmerzen. Es blieb mir nichts anderes übrig als zum Medizinschrank zu gehen, der über dem Waschbecken hing, und mir noch zwei von den starken Schmerztabletten zu bewilligen, die ich vom Krankenhaus mitbekommen hatte. Danach tauchte ich mein Gesicht vorsichtig in kaltes Wasser, um das fiebrige Gefühl auf der Haut zu lindern. Mir war übel und schwindelig, und ich fühlte mich, als wäre ich hundert Jahre alt. «Auf geht’s, alter Adler», sagte ich zu meinem Spiegelbild, aber die einzige Antwort war eine bleiche Grimasse aus einem Gesicht, das mir nur vage bekannt vorkam.

Als ich nach draußen trat, war irgendetwas mit dem Licht.



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